Was wir von der deutschen Nationalmannschaft über Fehlerkultur lernen können

Fehlerkultur deutsche Nationalmannschaft

Coconut Life Artikel

Was wir von der Deutschen Nationalmannschaft über Fehlerkultur lernen können

Die Enttäuschung sitzt tief. Ich ertappe mich dabei, heute morgen noch einmal auf das Ergebnis zu blicken, um zu schauen, ob sich über Nacht etwas verändert hat. Nein. Es bleibt beim 2-0 und Deutschland ist ausgeschieden. Ich möchte das zum Anlass nehmen, um zu schauen wie wir eine Fehlerkultur entwickeln können, die stärkt anstatt zu schwächen.

Eine ganze Nation kann es nicht glauben. Wir können die Realität nicht verändern. Aber wir können lernen. Jede Erfahrung, vor allem die unangenehmen, sollten uns einladen zu reflektieren. Wenn es schon schmerzhaft ist, dann sollten wir das wenigstens bestmöglich nutzen. Um uns weiterzuentwickeln. Um weiser zu werden. Das gilt nicht nur für Jogi Löw und die Spieler. Das gilt auch für uns Zuschauer. 

Was können wir aus den Ereignissen lernen?

Fragen, die sich mir stellen, sind die Folgenden: 

  • Inwiefern haben wir durch die Art und Weise, wie wir Kritik geübt haben, dazu beigetragen, die Mannschaft zu stabilisieren bzw. destabilisieren?
  • Wie können wir zukünftig Kritik üben, die stärkt anstatt zu schwächen? 
  • Wie können wir eine Fehlerkultur fördern, die Menschen einlädt mutig zu sein? 

Energy goes where attention flows. Dieses uralte Prinzip besagt, dass wir mehr davon erzielen, worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten. Jetzt sagst du vielleicht: „Ja, Nina, wir können aber nicht alles schönreden. Die Leistung vieler Spieler war nicht gut.“

Versteh mich richtig: Es geht nicht darum, die Realität zu schönen. Wir müssen in der Lage sein, Dinge zu benennen, um zu wachsen. Das ist gut und richtig so. Die Frage ist aber, mit welcher inneren Haltung wir das tun. Diese innere Haltung entscheidet darüber, ob eine Kritik als konstruktiv oder destabilisierend erlebt wird. Was meine ich damit konkret? 

Was zeichnet eine Kritik aus, die destabilisiert?

Fangen wir zunächst damit an zu beleuchten, was eine Kritik ausmacht, die destabilisiert. 

  1. Innerlich distanzieren wir uns von unserem Gegenüber. Unser Selbstbild erlaubt es uns nicht, Teil des Geschehens zu sein, weil wir die damit verbundene Demütigung nicht aushalten können. 
  2. Anstatt dem Anderen auf Augenhöhe zu begegnen erheben wir uns über die Person und bewerten sie wie ein Insekt unter dem Mikroskop. 
  3. Wir fokussieren uns ausschließlich auf das, was wir als nicht gut einstufen. Wir glauben ein Recht darauf zu haben, das zu tun. 
  4. Wir werden persönlich, sind insgeheim froh, nicht in der Lage des Kritisierten zu sein und bringen durch unsere gesamte Körpersprache zum Ausdruck, wie erbärmlich wir das Verhalten unseres Gegenübers finden. 

Dieses Verhalten lädt wiederum zu folgenden Reaktionen ein: 

  • Jeder der Betroffenen möchte nicht derjenige sein, der erbärmlich ist. Also prüft er – bewusst oder unbewusst – sein Verhalten wiederholt darauf, ob es „richtig“ oder „falsch“ ist. Das macht uns langsamer und wesentlich weniger mutig.
  • Es entsteht Druck und der setzt die „Fight or Flight-Reaktion“ in Gang. Es ist kein Raum mehr für Kreativität und Inspiration. Es gibt nur eine Auswahl zwischen folgenden Reaktionen: Kampf, Flucht, Totstellreflex. 
Weise führen

Wie können wir weisere Entscheidungen treffen?

Eine konstruktive Kritik sollte folgende Grundannahmen einbeziehen:
  1. Wir trennen den Menschen von seinem Verhalten. Wir können klar Position gegen ein bestimmtes Verhalten beziehen und sollten das auch. Gleichzeitig gilt es offen gegenüber dem Menschen zu bleiben. Wir sind in der Lage, den Menschen als solches anzunehmen, auch wenn wir sein Verhalten nicht in Ordnung finden. 
  2. Wir fragen uns, wie wir Anregungen für Verbesserungen geben können. Wir fragen, ob der Andere unser Feedback hören möchte. Wir suchen bewusst nach einer Lösung, stehen mit unseren Stärken zur Seite ohne für uns in Anspruch zu nehmen die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. Wir begegnen dem Anderen als Partner auf Augenhöhe.
  3. Wir wissen, dass es in der Theorie einfach ist gewisse Dinge umzusetzen. In der Praxis allerdings gehen Dinge schief. Wir akzeptieren diese „Fehler“ als Teil des Prozesses. Anstatt Schuldige zu suchen und darauf rumzuhacken nutzen wir die Lernerfahrung. 
  4. Wir fragen uns: Angenommen wir wären der weiseste Mensch auf diesem Planeten, wie würden wir mit der Situation umgehen. Wir handeln danach. Es erfordert Mut und Kraft nicht in die destruktiven Prozesse einzusteigen. Wir zeigen durch unser Verhalten, dass wir diese Stärke besitzen.

Wie können wir lernen eine vertrauensvollere Kultur zu entwickeln?

Wir alle können gemeinsam die Lernerfahrung nutzen, um über folgende Fragen zu reflektieren:

  • Wie gehe ich mit meinen eigenen Versagensängsten um? 
  • Wann habe ich mal ein Verhalten gezeigt, das ich als erbärmlich eingestuft habe? Wie bin ich in der Situation mit mir selbst umgegangen? 
  • Wie sehr kann ich mich lieben und akzeptieren auch wenn meine Leistung hinter meinen Erwartungen zurückbleibt? Stecke ich den Kopf in den Sand oder bin ich bereit, mich gleichwohl als wertvoll zu betrachten, zu lernen und zu wachsen? 
  • Wie sehr steige ich in Klatsch und Tratsch über andere Menschen ein? Wie fühle ich mich dabei, wenn ich das tue? Bin ich bereit, einen mutigeren und kraftvolleren Umgang damit zu finden? Wenn ja, wie? 

Die Beantwortung dieser Fragen kann eine Herausforderung sein. Wenn du innere Stärke gewinnen möchtest anstatt dich an Äußerlichkeiten zu klammern, ist es jedoch entscheidend, dass du sie dir beantwortest. 

In diesem Sinne wünsche ich uns allen weisere Entscheidungen und einen liebevolleren Umgang. 

Alles Liebe  

Nina 

PS: Alle Stärke liegt innen nicht außen. 

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Bild: Faye Cornish

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